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ISBN: 978-3-85371-404-1 Kategorie: Wissenschaft.Frank, Andre G: ReOrient.
Globalwirtschaft im Asiatischen Zeitalter
Promedia 2016. 496 S. 14,8 x 21. brosch.
€ 39,90. ISBN: 978-3-85371-404-1
Aus dem Englischen von Ingrid von Heiseler
Mit einer Einleitung von Andrea Komlosy
Der Ökonom Andre Gunder Frank stellt in seinem Buch „ReOrient“ die herkömmliche eurozentrische Ansicht der Weltgeschichte auf den Kopf, die die europäische Expansion seit dem 16. Jahrhundert als langfristigen Aufstieg des Westens deutet. Dieser Sichtweise stellt er die Zentralität Asiens, insbesondere Chinas, entgegen: hier konzentrierten sich zwischen 1400 und 1800 politische Macht, ökonomische Innovation und soziale Stabilität. Um an die weltweit begehrten asiatischen Artikel heranzukommen, setzten westeuropäische Kolonialmächte lateinamerikanisches Silber ein, das in Asien wiederum die Kommerzialisierung und den Austausch beförderte. Erst als Asiens Aufstieg stockte, gelang es westeuropäischen Unternehmern, die Importe durch eigene Industrieproduktion zu ersetzen. Weil sie über zu wenige Arbeitskräfte und über genügend Energie verfügten, führten sie Kraftmaschinen ein. Die Industrialisierung, das angebliche Kernstück europäischer Überlegenheit, wird somit als Strategie nachholender Entwicklung gedeutet.
Frank vergleicht in „ReOrient“ Regionen, Bevölkerungsentwicklung, Branchen, Technologien, Handelsbilanzen und Lebensstandards. Er demonstriert gleichzeitig, was er als globalgeschichtliche Selbstverständlichkeit erachtet: die ganze Welt im Blick zu behalten und erst aus der jeweiligen Stellung im Weltsystem die Veränderung einzelner Teilräume zu beurteilen. Dies erschüttert viele Gewissheiten über die Leistungskraft des Westens oder den europäischen Ursprung des Kapitalismus.
Die historische Analyse kann helfen, den aktuellen Wiederaufstieg Asiens besser zu verstehen. „ReOrient” führt damit nicht nur in die Methoden globalistischen historischen Arbeitens ein, sondern versteht sich als Schlüssel zur Erklärung gegenwärtiger Umbrüche im Weltsystem.
Das Buch verbindet die Dependenz Lateinamerikas mit der Zentralität Asiens. Die Führungsrolle des Westens verkürzt sich so auf ein historisches Intermezzo, das von der westlichen Historiographie zu einem in Überlegenheit begründeten europäischen Sonderweg hochstilisiert wurde. Die Wissenschaftler, die dabei behilflich waren, lässt Frank in „ReOrient“ nicht ungeschoren und unterzieht ihre Einschätzungen, seine eigenen Frühwerke eingeschlossen, einer scharfen Kritik.
Der Autor
Andre Gunder Frank (1929–2005) musste zusammen mit seinen Eltern im Jahr 1933 von Berlin in die Schweiz und später in die USA fliehen. Er studierte Wirtschaftswissenschaften u. a. bei Milton Friedman. Anfang der 1960er-Jahre entwickelte Frank in Abgrenzung zur monetaristischen Schule die Dependenztheorie. In Chile wurde er einer der engsten wirtschaftlichen Berater von Präsident Salvador Allende. Nach der Ermordung Allendes musste Frank das Land verlassen. Die USA verweigerten seine Aufnahme. Bis zu seinem Tod im Jahr 2005 lehrte er an verschiedenen Universitäten und beriet fallweise chinesische oder türkische Wirtschaftsminister. Bei Promedia ist von ihm erschienen: „Orientierung im Weltsystem. Von der Neuen Welt zum Reich der Mitte“ (Wien 2005).
39,90 €
Frank, Andre G: ReOrient.
Globalwirtschaft im Asiatischen Zeitalter
Promedia 2016. 496 S. 14,8 x 21. brosch.
Frank gehörte wie Wallerstein, Samir Amin und Giovanni Arrighi zu den Begründern der Weltsystemtheorie, die darauf zielt, das Funktionieren des kapitalistischen Weltsystems schlüssig und zugleich kritisch zu erklären. Sie analysierten, wie die Zentren sowie Peripherien und Semiperipherien entstanden und auf welche Weise sie miteinander verbunden sind. Dabei bezogen sie sich einerseits auf marxistische Arbeiten, andererseits auf die französische „Annales-Schule“ und insbesondere Fernand Braudel. Der ursprüngliche Ansatz war zu untersuchen, wie aus dem europäischen Mittelalter heraus jenes soziale System entstand, das sich seit dem 16. Jahrhundert zum kapitalistischen Weltsystem entwickelte. Während die Protagonisten ursprünglich im Gleichklang arbeiteten, kritisierte Frank den Ansatz Wallersteins und schon Braudels später als eurozentristisch und ordnete ihm auch Samir Amin und andere zu.
Diesen Standpunkt hat Frank in ReOrient systematisch ausgearbeitet. (…) Die eurozentristische Idee führe zu einem Tunnelblick in der Geschichtsschreibung. Sie habe mehrere Stränge, zu denen der Autor Karl Marx und Werner Sombart ebenso zählt wie Max Weber, Arnold Toynbee oder Karl Polanyi. Sie alle haben „einen falschen Universalismus unter europäischer Initiierung und Leitung“ erfunden. Marx‘ Vorstellungen von einer „asiatischen Produktionsweise“ oder „asiatischem Despotismus“ seien deshalb nicht nur von Unkenntnis der tatsächlichen Verhältnisse geleitet, sondern – hier zitiert Frank den Historiker Teshale Tibebu – eine Variante der „angemaßten europäischen Überlegenheit“, ein „rot gefärbter Orientalismus“. Insofern wäre es an der Zeit, vor dem Hintergrund von André Gunder Franks Analysen auch eine Reihe von Fragen der überkommenen marxistischen Kapitalismus-Analyse neu zu erörtern.
http://das-blaettchen.de/2017/01/das-weltsystem-verstehen-38638.html?print=1
Erhard Crome, Das Blättchen, 16.01.2017
Der herkömmlichen Betrachtungsweise, die die europäische Expansion seit dem 16. Jahrhundert als langfristigen Aufstieg des Westens deutet, setzt Frank die „Zentralität Asiens, insbesondere Chinas“, entgegen.
Martin Geisz, globern21.de, 16.06.2016
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