Product Information
ISBN: 978-3-85371-469-0 Kategorie: Kultur und Gesellschaft.Kollmann, Karl: Die neuen Biedermenschen.
Von der 68er-Rebellion zum linksliberalen Establishment
Promedia 2020. 208 S. 14,8 x 21. brosch.
€ 22,00. ISBN: 978-3-85371-469-0
Hannes Hofbauer, Stefan Kraft, Franz Schandl und Kathrin Kollmann präsentieren in diesem Beitrag das Buch im Rahmen einer Gesprächsrunde.
Ein halbes Jahrhundert nach dem Aufbruch, der im Jahre 1968 weite Teile der Jugend Europas erfasst hatte, sind aus den Versatzstücken einer Kultur des Aufbegehrens Eckpfeiler einer hegemonialen Biedermeierlichkeit geworden. Die Rebellion gegen den verstockten Nachkriegskonservativismus ist zu einem neuen Establishment erstarrt.
Der Soziologe Karl Kollmann zeichnet nach, wie es dazu kommen konnte, dass aus dem Wunsch nach Befreiung in nur zwei Generationen wiederum ein gesellschaftliches Korsett geschnürt wurde, das enge Lebensmuster vorgibt. Diese folgen nun nicht mehr rechtskonservativen, sondern linksliberalen Verhaltensregeln, die allerdings ebenso peinlich eingehalten werden (müssen) wie einst jene der Elterngeneration.
Die kollektive Kampfkraft der 68er-Generation gegen Krieg und Militarisierung und für Gleichberechtigung ist weitgehend verpufft. An ihre Stelle ist eine Individualisierung getreten, die Gesellschaft oft als Dienstleistung für den Einzelnen/die Einzelne betrachtet. Als Treibmittel für diesen Übergang zum neuen Biedermenschen ortet der Autor Konsumismus und Kommerzialisierung so gut wie aller Lebensbereiche. Diese Kapitalkraft sei von den 68ern schlicht übersehen oder zumindest unterschätzt worden.
Dem neuen linksliberalen Establishment ist es gelungen, kulturelle Hegemonie und mediale Meinungsführerschaft zu erlangen. Gepaart mit entsprechendem Arbeitsethos lässt es sich in den oft engen städtischen Zirkeln als Mittelschicht gut leben.
Die soziale Frage spielt folgerichtig eine untergeordnete Rolle. Stattdessen wird das Hohelied auf Diversität und Multikulturalität gesungen, wobei man die eigenen Kinder doch lieber in den privaten Kindergarten und die bessere Schule fernab von den sozialen Brennpunkten der Ausländerviertel schickt, die so nicht genannt werden. Die verordnete sprachliche Korrektheit hilft dabei mit, die gesellschaftliche Realität zu verdecken.
Karl Kollmanns gesellschaftlicher Befund rüttelt auf. Er demaskiert eine sich selbst als postmateriell darstellende neue Mittelschicht, die ihr 68er-Erbe dazu verwendet, sich wohlig in städtischen Gesellschaftsblasen einzurichten.
Der Autor
Karl Kollmann, geboren 1952 in Heidenreichstein, Niederösterreich, war promovierter Soziologe und habilitierter Ökonom. Als Autor erschienen seine Beiträge zuletzt unter anderem in Die Presse, telepolis und Streifzüge. Karl Kollmann starb im September 2019 in Baden bei Wien.
22,00 €
Kollmann, Karl: Die neuen Biedermenschen.
Von der 68er-Rebellion zum linksliberalen Establishment
Promedia 2020. 208 S. 14,8 x 21. brosch.
Ein überaus lesenswertes Sachbuch, das wichtige historische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen der letzten Jahrzehnte erhellend ins Gedächtnis ruft und interessanten soziologische und psychologische Deutungen bietet. Dass er dabei nicht ganz emotionslos an die Sache herangeht, macht seine Analyse angreifbar aber nicht weniger diskussionswürdig.
https://lesen.tibs.at/node/6341
Tiroler Bildungsservice, 12.11.2020
Alles in allem zeigt Kollmann einen düsteren Ausblick auf die Zukunft unserer Gesellschaft. Das linksliberale Establishment, dass seine Kinder auf Privatschulen und zum Privatarzt schickt und eine Eigentumswohnung im Zentrum besitzt, hat kein Verständnis für jene, die sich etwa durch Migration am Arbeits- und Wohnungsmarkt bedrängt fühlen. „Durch unsere Gesellschaften geht ein großer Riss, eine kaum zu überwindende Kluft“, konstatiert Kollmann. Ein Blick in die soziale Medien zeigt, wie Recht er damit hat. Wer am Zusammenleben in unserer Gesellschaft und der Entwicklung einer Bewegung von Revolutionären zu Dogmatikern interessiert ist, muss also unbedingt dieses Buch lesen.
APA-Presseagentur, 07.10.2020
Kollmann porträtiert das linksliberale Milieu sehr gut. Das ist seine Stärke, und das macht das Lesevergnügen an seinem Buch aus. Es enthält aber auch, wie schon ausgeführt, einige seltsame Passagen, die man eher bei einem traditionellen CDU-Politiker vermutet hätte oder einem Autor wie dem ehemaligen ZDF-Redakteur Peter Hahne. Ich kann sein Buch deshalb nicht uneingeschränkt für jeden empfehlen.
https://www.nachdenkseiten.de/?p=64196
Udo Brandes, www.nachdenkseiten.de, 28.08.2020
Verwandte Bücher
Anpassung oder Widerstand
Brenner, Eva (Hg.): Anpassung oder Widerstand.
Freies Theater heute. Vom Verlust der Vielfalt
Promedia 2013. 256 S. 21 x 12. brosch.
Gebaute Illusionen
Weihsmann, Helmut: Gebaute Illusionen.
Architektur im Film
Promedia 1988. 272 S. engl. Br.
Genuss und Nachhaltigkeit
Jakubowicz, Dan: Genuss und Nachhaltigkeit.
Handbuch zur Veränderung des persönlichen Lebensstils
Promedia 2003. 224 S. 21 x 15. brosch.
Demokratische Bildung
Demokratische Bildung.
Realität und Anspruch
Promedia 1996. 192 S. 21 x 14. brosch.
Das Subsistenzhandbuch
Das Subsistenzhandbuch.
Widerstandskulturen in Europa, Asien und Lateinamerika
Promedia 1999. 248 S. 21 x 14. brosch.
Jenseits von Anatolien
Petrik, Dine: Jenseits von Anatolien.
Eine Reise ins Oströmische Reich
Promedia 2002. 192 S. 20 x 14. brosch.
Carl Mayer: Im Spiegelkabinett des Dr. Caligari
Frankfurter, Bernhard (Hg.): Carl Mayer: Im Spiegelkabinett des Dr. Caligari.
Der Kampf zwischen Licht und Dunkel
Promedia 1997. 192 S. 21 x 14. brosch.
Abenteuer Lust
Ertl, Erich (Hg.): Abenteuer Lust.
Exkursionen in Tabubereiche
Promedia 1987. 168 S. brosch.
Der Tanz des Himmels mit der Erde
Deren, Maya: Der Tanz des Himmels mit der Erde.
Die Götter des haitianischen Vaudou
Promedia 1992. 368 S. brosch.
Die sexuelle Welle
Mende, Julius: Die sexuelle Welle.
Zwischen Sinnlichkeit und Vermarktung. Bilder und Texte
Promedia 2007. 240 S. 21 x 15. brosch.