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ISBN: 978-3-85371-471-3 Kategorie: Österreich.Veran, Peter: Plädoyer eines Märtyrers.
Eine Groteske
Promedia 2020. 176 S. 12 x 20. Klappenbr.
€ 19,90. ISBN: 978-3-85371-471-3
In dieser Gesprächsrunde diskutiert der Autor mit Matthias Falter über das Buch und die bis heute relevanten Themen der Publikation.
86 Jahre nach dem Februar-Aufstand 1934 gegen die sich verfestigende Diktatur wird der damalige Bundeskanzler Engelbert Dollfuß aus seinem Grab in Wien-Hietzing exhumiert. Man setzt ihm ein selbstheilungskraftaktivierendes, linksgedrehtes Licht-Stammzellenpflaster exakt an jene Stelle, an der einst die Zirbeldrüse gesessen ist. Dann stellt man ihn vor Gericht.
In diesem Rahmen spielt Peter Verans literarische Groteske, in der sich Engelbert Dollfuß vor der Geschichte rechtfertigen muss. Die Anklagepunkte sind umfassend: Vielfacher Mord, schwere Körperverletzung, Folter, Hochverrat, Landfriedensbruch, Erpressung, tausendfache Freiheitsentziehung, Raub, Diebstahl und Amtsmissbrauch werden als Tatbestände genannt. Darauf muss der im Juli 1934 von Nationalsozialisten ermordete und später zum Märtyrer stilisierte Ex-Diktator eine Antwort finden.
Nach der kurzen Aufnahme der Personalien legt Dollfuß los. Es ist ihm bewusst, dass die vorgeworfenen Tatbestände erfüllt sind; und zwar nach dem geltenden Recht zum Zeitpunkt seines Verfassungsbruchs ebenso wie nach heutiger Judikatur. In einem hochtrabenden Plädoyer tritt er deshalb die Flucht nach vorne an und erklärt dem hohen Gericht seine Motive, seine Ziele und seine Handlungsspielräume. Seine Taten seien gerechtfertigt, zumindest entschuldbar, juristisch sowie moralisch. Er hätte sich in einem Notstand befunden und gar nicht anders handeln können, um großen Schaden von Österreich und seinem Volk abzuwenden.
Peter Veran lässt im zweiten Teil seiner Groteske dem Redeschwall des Märtyrers – vor dem kenntnisreich recherchierten, historischen Hintergrund – freien Lauf. Der Autor legt dabei seinem Protagonisten historische ebenso wie aktuelle Sprache in den Mund und verknüpft Dollfuß‘ Vortrag mit gegenwärtigen politischen Verhältnissen.
Am Ende des Buches antwortet die vorsitzende Richterin des Geschworenengerichts prägnant und pointiert dem Märtyrer – und widerspricht damit einer Geschichtsauffassung, die Österreichs Gang in Faschismus und Diktatur noch heute schönreden will.
Der Autor
Peter Veran ist das literarische Pseudonym des 1962 in Leoben geborenen promovierten Juristen und Historikers Werner Anzenberger. Er hat zahlreiche Publikationen zum Austrofaschismus vorgelegt, darunter „Absage an eine Demokratie. Karl Kraus und der Bruch der österreichischen Verfassung 1933/34“ (1997), „Widerstand für eine Demokratie: 12. Februar 1934“ (2004), „Die österreichische Diktatur – Ein faschistisches Gewaltregime?“ (2017) sowie „130 Jahre Koloman Wallisch. Ein sozialer Gestalter zwischen Demokratie und Diktaturen“ (2019).
19,90 €
Veran, Peter: Plädoyer eines Märtyrers.
Eine Groteske
Promedia 2020. 176 S. 12 x 20. Klappenbr.
Wikipedia bezeichnet eine literarische Groteske „als beabsichtigten Verstoß gegen künstlerische Normen“, dieser Verstoß ist dem Autor sehr gelungen.
Gerald Netzl, Bücherschau, März 2021
Peter Veran – von Hause aus Jurist und Historiker, er ist Autor mehrerer historischer Sachbücher – liefert in Gestalt von Dollfuss ein entlarvendes Psychogramm im Grunde konservativer Politiker mit ihrem Hang zu autoritären Lösungen. Der Austrofaschismus bedurfte eben keines Straßenterrors, um die traditionellen Parteien von der Macht zu vertreiben – er entwickelte sich im Rahmen des ganz normalen Politikbetriebes. Österreich war damals kein Einzelfall: Nicht wenige der später von Hitler und Mussolini besetzten Staaten waren keineswegs demokratische Musterländer, sondern diktatorisch regiert worden. Der Konflikt zwischen Dollfuß bzw. seinem Nachfolger Kurt Schuschnigg und der Nazipartei war mehr taktischer Natur. Der im Jahre 1938 von Hitler militärisch erzwungene »Anschluss« Österreichs an Deutschland wurde von einem Großteil der Bevölkerung des Alpenstaates bejubelt; der Anteil gebürtiger Österreicher in der Funktionärsriege des gewaltsam vergrößerten Deutschen Reiches war überproportional hoch. Verans Buch liefert nicht nur zahlreiche wenig bekannte Einzelheiten aus diesem Abschnitt der Geschichte Österreichs. Mit seiner gekonnten Schilderung der grausamen Komik einer zutiefst bürgerlichen Faschisierung hat der Autor auch ein bemerkenswertes Stück antifaschistischer Literatur vorgelegt.
Gerd Bedszent, Junge Welt, 17.06.2020
Soviel sei verraten: Zum Prozessende war Schluss mit lustig.
Ilse Amenitsch, Radio Steiermark, 15.03.2020
Veran wendet unter stetem Zugfriff auf Anzenbergers Hintergrundwissen die Strategie eines Karikaturisten an, nämlich Verzerrung möglichst bis zur Kenntlichkeit. „Populismus völlig unnötig – den haben wir ausschließlich in der Demokratie zu deren Ausschaltung bebraucht“, lautet etwa eine der Aussagen (von Engelbert Dollfuß), die aus dem Auferstandenen hervorsprudelne, wenn er sich wortreich erklärt.
Obersteirische Rundschau, 12.03.2020
Dieses Buch sollte in den Kreisen der ausgeirdeten Seelen gelesen werden und in den Salons, wo die sowwohl im guten wie im schlechten unsterblichen Seelen die Ewigkeit verbringen (Kann man die Ewigkeit eigentlich verbringen? Bedeutet Zeit verbringen nicht auch eine Endlichkeit dieser Zeit? Was hat eine endliche Zeit mit der Ewigkeit gemein?) Wenn aber dort in den Salons Kurt Tucholsky mit Erich Kästner über das Buch plaudert und beide grinsen sich einen, bis Kästner laut lacht, so dass George Bernhard Shaw stirnrunzelnd rüberkommt, dann ist es auch hier unten das richtige Buch zur Zeit.
Hannes Nagel, Redaktion „Das Flugblatt“ und Musenverlag, 06.03.2020
Anzenbergers literarisches Pseudonym ist Peter Veran. Als Jurist und Historiker verfasste der Leiter der Rechtsabteilung der steirischen AK zahlreiche Abhandlungen zur Geschichte von Nationalsozialismus und Austrofaschismus, insbesondere auch zur Aufarbeitung des Widerstandes gegen das NS-Regime in der Steiermark. Schon oft hielt der Chef des Bundes Sozialdemokratischer Feiheitskämpfer Reden am 12. Februar, diesmal lässt er reden, Dollfuß eben. „Frei von der Leber weg, so wie die Menschen damals gedacht haben: autoritär, abwertend, ausgrenzend, am Machterhalt orientiert“.
Claudia Gigler, Kleine Zeitung, 02.12.2019
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