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ISBN: 978-3-85371-519-2 Kategorie: Edition Kritische Forschung.Korak, Christina Anna: Den Jaguar dolmetschen.
Sprachgebrauch und Rechte der Waorani Ecuadors
Promedia 2023. 240 S. 13,5 x 21. brosch.
€ 28,00. ISBN: 978-3-85371-519-2
Die heute etwa 5000 Jäger*innen und Sammler*innen der Waorani lebten ursprünglich in einem weitläufigen Gebiet von etwa zwei Millionen Hektar, im Hügelland von Ecuadors Amazonien. Mitunter stark verfeindete Familiengruppen von etwa 30 bis 40 Personen pflegten eine seminomadische Lebensweise. Perioden relativer Stabilität und interethnische Fehden wechselten einander ab, nur wenige Nutzpflanzen wurden angebaut. Nachdem der Konzern Shell in den 1930er-Jahren bei Probebohrungen Erdöl im Territorium gefunden hatte, erzwang die amerikanische evangelikale Missionsorganisation Summer Institute of Linguistics (SIL) ab 1956 den Kontakt zu den Indigenen. Missionar*innen suchten die vor interethnischen Fehden geflüchtete Wao Dayuma auf, die in einer Hacienda eines Großgrundbesitzers als Dienstmädchen arbeitete. Auf diese Weise erlernten sie Waoterero, die Sprache der Waorani, erfragten Details zu den Gebräuchen und konnten sie schließlich 1958 zur gemeinsamen Rückkehr zu ihrer Familie bewegen. Sukzessive wurden weitere Waorani-Gruppen mit Kleinfliegern ausgespäht, kontaktiert und alsbald in ein Reservat verbracht.
Die Kontaktierung, Sesshaftwerdung und der von einer Polioepidemie, soziokulturellen Spannungen und tiefgreifenden Evangelisierungsmaßnahmen begleitete Ethnozid im Reservat ermöglichten den massiven Einzug von Erdölkonzernen ab den 1970er-Jahren. Weiße Siedler*innen mit neuen Anbauformen und Nutztieren sowie Holzhändler folgten. Nach der Ausweisung der SIL-Missionar*innen aus Ecuador durch Präsident Roldós im Jahre 1981 gründeten die Waorani Dorfgemeinschaften, in denen sie sich permanent niederließen. Bis heute gibt es Gruppen der Waorani, die den Kontakt zur Mehrheitsgesellschaft ablehnen und eine traditionelle umherschweifende Lebensweise praktizieren. Sie werden mit dem Sammelbegriff Tagaeri-Taromenani bezeichnet und sind in ihrem Überleben besonders stark durch die massiven Eingriffe in ihr Territorium bedroht.
Durch Ecuadors revolutionäre Verfassung im Jahr 2008 kamen den Waorani als Bürger*innen zumindest theoretisch gesicherte sprachliche und kulturelle Rechte zu. In ihren Dörfern und auch in den Städten Ecuadors, u.a. bei Ärzt*innengesprächen, Verhandlungen mit Konzernen, Versammlungen mit staatlichen Vertreter*innen oder beim Besuch von Tourist*innen ist Dolmetschen und in geringerem Ausmaß Übersetzen eine alltägliche Notwendigkeit. Als Gemeinschaft mit kurz zurückliegendem Kontakt und damit einhergehenden geringen Spanischkenntnissen kommt der Sprach- und Kulturmittlung eine politisch besonders brisante Rolle zu. Aufgrund fehlender staatlicher Initiativen dolmetschen junge, meist männliche Waorani für ihre eigene Gemeinschaft.
Die auf intensiver Feldforschung in Dörfern der Waorani, der Kichwa, den Städten Amazoniens und in der Hauptstadt Quito beruhende Studie von Christina Anna Korak ergründet Dolmetschszenarien bei den Waorani und wie diese aufs Engste mit menschenrechtlichen Bedrohungen verbunden sind.
Die Autorin
Christina Anna Korak, geboren 1985 in Klagenfurt, ist Dolmetscherin für Migrant*innen und PostDoc-Forschende an der Universität Graz. Nach dem Diplomstudium Konferenzdolmetschen (Spanisch, Englisch) verbrachte sie zwischen 2012 und 2022 mehrere Monate im Territorium der Waorani.
28,00 €
Korak, Christina Anna: Den Jaguar dolmetschen.
Sprachgebrauch und Rechte der Waorani Ecuadors
Promedia 2023. 240 S. 13,5 x 21. brosch.
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